Back to Balkan, Part 1: Via Prag und Wien nach Unten

Dies ist Teil 1 von 3 in der Serie Back to Balkan

Balkan, zweite Runde: auf dem Plan stehen Slovenien, Bosnien, Montenegro, Albanien und wenn möglich auch noch Nord-Mazzedonien.
Das Ganze im entspannten Piste-Strasse-Mix mit 4 Wochen Zeit.

Ach ja. Man hatte mal wieder Monate Zeit um den Autozug von Altona nach Innsbruck zu buchen um von dort aus entspannt weiter gen Süd-Osten in den Balkan zu zuckeln, aber genau wie jedes Jahr zu Weihnachten war’s auch bei dieser Tour “auf einmal” wieder 5-vor-Schluss bzw. 1-Woche-vor-Abreise, und der Zug – völlig unvorhersehbar, wie ich finde – ausgebucht. Verrückt.

„I can’t Brandenburg“

Wohlan! Am 19.08. ging es zuerst nach Brandenburg an der Havel ich hatte mal irgendwo aufgeschnappt das es da nett sein soll, und da es grob auf der Strecke lag… 

Ich fasse es kurz: I can’t Brandenburg. Die Stadt selber macht einen ganz netten Eindruck, und Landschaftlich ist Brandenburg auch toll, aber ich kann machen was ich will, beim Durchfahren des Brandenburgischen Outbacks stellt sich bei mir immer so ein latent gruseliges „The Hills have eyes“ Feeling ein.
Die Menschen sind alle nett, und irgendwie ist die Redneck Mentalität einiger der dort lebenden Originale ja auch grundsätzlich ganz sympathisch, aber… ne. Ne… Not for me. Sorry.

Wer immer das jetzt liest und denkt, der Typ hat ja mal gar kein Ahnung wie schön es in Brandenburg ist – bitte, bitte kontaktiert mich und belehrt mich eines besseren. Wirklich. Ich will es ja irgendwie mögen, nur…

Am Sonntag fahre ich durch nach Prag. War der Teil durch Brandenburg und Sachsen auf der Landstrasse landschaftlich noch recht hübsch, speziell der Teil kurz vor der Landesgrenze, wird’s in Tschechien relativ öde. Man kann hier bestimmt schöne Schlenker einbauen, ich möchte aber lieber zeitig in Prag sein, und finde mich daher auf einer wenig abwechslungsreichen Strecke wieder, welche gefühlt alle 5m von kleinen Ortschaften unterbrochen wird, in denen wie verrückt geblitzt wird.
Ziemlich zähe Angelegenheit – immerhin, bis auf einen kräftigen Guss beim Überqueren der Grenze ist das Wetter super.

In Prag habe ich mich für 2 Nächte in ein Hotel eingebucht. Ich kenne die Stadt zwar schon von einer Städtereise aus 2014, aber einfach nur durch-rushen hätte ich schade gefunden.
Beim parken der Ténéré im Hinterhof des Hotels vergesse ich die Kabelage aus dem direkt an der Batterie hängenden USB Anschluss zu ziehen, und lerne auf diese Art, dass nicht jeder USB-C auf USB Adapter zum Laden geeignet ist – ne Stunde nach dem Abstellen ist der Adapter kochend heiß und der grüne Leuchtring des USB Ports flackert hektisch. Der Port selber ist nach dem Malheur nie wieder derselbe, und der Adapter ist Schrot.

Prag

Das Hotel hatte mir einen Gutschein für ein Freigetränk in einem anliegenden Restaurant mitgegeben, dem ich nur allzu willig gegen ein kaltes Bier tausche, während ich auf Wildschweinbraten mit Sauce und Knödeln warte – die Tschechische Küche ist betont herzhaft, und irgendwie schaffen sie es auch, die grundsätzlich einfach gehaltenen Gerichte wie erwähnten Schweinebraten saulecker hinzubekommen.

Auch nach Einbruch der Dunkelheit hat es locker über 25 Grad, dementsprechend ist die Altstadt auch nach 22:00 am Sonntagabend noch rappelvoll, die Kellner in den Bars verkaufen kaltes Bier im Akkord – woran ich nicht ganz unschuldig bin.

Leidlich verkatert erscheine ich am nächsten morgen zum Frühstücksbuffet – zusammen mit mindesten 2, gefühlt aber eher 7 Abi-Klassenfahrten. Die Teenager geben sich betont lebensunfähig, keiner hat anscheinend bisher schonmal ein Buffet benutzt, oder auch nur selbstorganisiert gefrühstückt. Normalerweise entlockt mir derart verpeilte Jugend ein Schmunzeln, aber nicht verkatert & vor dem dritten Kaffee…

Den Rest des Tages lasse ich mich durch Prag treiben. Die John Lennon Gedenk-Mauer ist seit meinem letztem Besuch zu einem Instagram Hot-Spot mutiert, die ehemals ganz schönen Bemalungen sind großflächig Stickern und Graffiti gewichen. Hübscher ist’s dadurch nicht geworden, was den gemeinen Instagramer aber natürlich nicht wirklich interessiert.

Ansonsten ist dieser Teil der Stadt westlich der Moldau wie schon 2014 mein bevorzugtes Prag. Insgesamt geht es hier etwas weniger touristisch zu als auf der östlichen Seite, viele schöne kleine Sträßchen und Nebenarme des Flusses erinnern mich gleichermaßen an Lissabon wie an Venedig, nur ist alles etwas dezenterer abgemischt. Da sich das Gros der Besucher bei billigem Bier auf dem Altstädter Ring, der touristischen Vorhölle Prags, verlustig, ist es hier auch nicht (ganz) so voll.

„Die Schöne an der Moldau“

Architektonisch bewegt sich die Stadt ständig ein wenig an der Grenze zur Reizüberflutung: Gotische Türme, barocke Kirchen und Kubismus tummeln sich hier wie auf einer außer Kontrolle geratene Architekturausstellung. Der Prager Kubismus z.B. gilt als einzigartig in der Welt.

Der berühmteste Sohn der Stadt, Franz Kafka, geboren 1883 in Prag, gilt er als einer der einflussreichsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Werke wie „Die Verwandlung“ oder „Der Prozess“ sind bekannt für ihre düstere, surrealistische Atmosphäre und die Darstellung von Isolation, Entfremdung und der Absurdität menschlicher Existenz.
Er veröffentlichte zu Lebzeiten nur wenige Werke, den Großteil seiner Schriften hinterließ er unvollendet. Sein enger Freund Max Brod, dem Kafka eigentlich aufgetragen hatte, seine Manuskripte nach seinem Tod zu vernichten, ignorierte diesen Wunsch und machte Kafkas Werk posthum weltberühmt. Seine Texte sind oft als Parabeln der Gesellschaft interpretiert worden, in denen der Einzelne sich gegen undurchschaubare, übermächtige Systeme stellt – nein, lieber „Querdenker“, nicht so wie du.

An das Kafka Museum westlich der Moldau konnte ich mich nur wenig erinnern, unterm Strich gibt es da aber auch nicht soooo viel zu sehen. Schon interessant, muss man aber wollen.

Kostnice Sedlec

Ich war 2014 auf erwähnter Städtereise schonmal hier, damals war auch noch das Fotografieren erlaubt – wie üblich ohne Blitz, was natürlich keinen davon abgehalten hat trotzdem mit dem Handy zu fotografieren, und da Menschen idR nicht in der Lage sind den Blitz ihrer Smartphones zu deaktivieren, blitzte es an jeder Ecke unentwegt. Außerdem bimmelt in einer Tour der Bewegungsalarm am Gatter der beiden großen Knochenhaufen, die mit „Please do not touch“ beschriftet sind… Nun denn, jetzt ist’s mit dem Fotografieren vorbei bzw. nur noch mit entsprechendem Permit möglich. Die Bilder im Beitrag stammen dementsprechend von meinem Besuch in 2014.

Wien 

Wien hat mich sofort. Meine Pension liegt im Spittelviertel: einst das Zentrum des religiösen und medizinischen Lebens in Wien, finden sich hier heute Cafés, Restaurants, Second-Hand Läden und Kunstgalerien, kurz: herrlich. Nach einem Original Wiener Schnitzel versacke ich den Rest des Abends im Bukowski, einem jungen Kneipen Restaurant dessen Charme mich spontan einfängt. Ich verdopple mit meiner Anwesenheit zwar locker den Altersdurchschnitt, scheint aber keinen zu stören, und mir ist sowas schon lange egal.

Am nächste Tag erkunde ich die Innenstadt – und bin einfach nur sprachlos. Der Prunk der hier zur Schau gestellt wird lässt Städte wie Florenz wie ärmliche Dreckslöcher dastehen. Eine Spanische Hofreitschule mit Lipizzanern mitten in der Stadt muss man sich leisten können.
Wirklich nichts scheint hier ordinär zu sein, nicht mal die Gartenzäune. Ich esse zum erstenmal in meinem Leben Kaiserschmarn, selbstredend frisch und im Café Demels, der Konditorei welche als erste die Sachertorte erfand. Ich möchte sterben, so lecker ist das Zeug.

„Bleib immer weg von offenen Fenstern“.

Das zweite "Hotel New Hampshire" in der Krugerstraße 11...
Das zweite „Hotel New Hampshire“ in der Krugerstraße 11…

Als Teenager war  Wien für mich genau so diffus und weit entfernt wie Singapur oder Argentinien. Meine Eltern hatten es nicht mit dem Reisen, weiter als bis Dänemark war ich noch nicht gekommen, und während meine Freunde langsam anfingen Backpacking Touren nach Gomera oder Korsika zu unternehmen, floß all mein Geld in Gitarren und Musikequipment.
Kurz, Wien war für mich damals genau so real oder irreal wie der Roman. Ein halbes Leben später beim Kaffee in der Krugerstrasse 11  zu sitzen und auf den Eingang des Hotels zu starren, welches ich so gut kannte und doch noch nie gesehen hatte, wirkt genauso unwirklich. Irgendwie schien sich hier ein Kreis zu schließen, oder zwei Punkte in der Zeit zu verbinden.

Pflichtbewusst besuche ich auch noch die Staatsbibliothek und das Sissi Museum, so richtig erhole ich mich aber nicht wieder vom Besuch der Krugerstrasse. Den Rest des Abends nerve ich Freunde via WhatsApp mit dem Erlebnis und bin fassungslos, dass keiner von Ihnen das Buch bisher gelesen hat, woraufhin sich mein Generve darauf verlegt, dass dies unbedingt nachzuholen sei, bis sich auch der Geduldigste der Adressaten schlafend stellt… 


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