Back to Balkan, Part 2: Durch Slovenien und Kroatien nach Bosnien

Dies ist Teil 2 von 3 in der Serie Back to Balkan

Slovenien ist eine echte Perle.


Bosnien

Mehrere der Länder auf meiner Liste für die kommenden Wochen unterstützen kein Roaming, hier müssen also theoretisch andere SIM Karten her. In der Umsetzung eher kein Problem, an den Grenze oder direkt dahinter kann man zum Teil für sehr wenig Geld sehr umfangreiche Daten-Prepaid Karten kaufen.

Mein Zeltnachbar hat das Problem mit der Airalo App umgangen, welche über eine Bezahlplattform und den E-Sim Slot des Telefons einzelne Landestarife oder ganze Bundles anbietet.
Günstiger als die physische Sim vor Ort zu kaufen ist es definitiv nicht, aber ich erliege der, zumindest auf den ersten Blick, Convenience der App.

Roaming in Bosnien…

Auf den ersten Blick, weil ich natürlich die Anleitung zur Einrichtung nur überfliege, irgendwas falsch mache und dann am Ende gänzlich ohne Internet dastehe… Vor mich hingrummelnd bekomme ich das irgendwann zum fliegen, nur um festzustellen, dass ich die Meisterleistung vollbracht habe, ein Bundle für den Balkan Raum zum kaufen, das so ziemlich jedes Land der Region beinhaltet, aber nicht das, in welches ich heute wechsle, nämlich Bosnien. Fassungslos gehe ich mehrfach die Liste durch ohne das sich an dem Umstand etwas ändert, bevor ich, diese mal nicht mehr nur grummelnd, Bosnien einzeln nachbuche.

Auf der OSM Karte habe ich eine schöne Strecke nach Bosnien rein gefunden, sogar ein Abschnitt mit Piste ist dabei. Irgendwann fahre ich an zwei etwas verdaddert dreinschauenden Beamten vorbei, um die Kurve rum ist dann auch schon die Schranke der Grenze.
Die Beamtin schaut skeptisch auf meine beladene Ténéré, fragt mich irgendwas auf… äh, ich nehme an Bosnisch, um mir, nachdem ich ihr manisch lächelnd meinen Ausweis und die Fahrzeugpapiere reiche, auf Englisch zu erklären, dass dieser Grenzübergang nur von Locals genutzt werden darf. 

Mein Lächeln bröckelt etwas.

Lars: „Also, äh, ich darf hier nicht rüber…?“
Beamtin: „Nein.“
Lars (wischt auf dem Navi herum): „Ja, aber, hehe, dann muss ich ja das ganze Stück zurück… und … äh … da ganz unten über die Grenze…?“
Beamtin: „Ja.“
Lars: „Wow, das…das ist ja… äh.. ein Riesen Umweg…?“
Beamtin: „Ja.“
Lars: „Ah… das ist ja doof…“
Beamtin: „Ja.“

Ein wenig hatte ich darauf gebaut das sie einknickt und mich durchwinkt, aber mitnichten. Na geil…  2h später am offiziellen Grenzübergang stehe ich locker ne halbe Stunde in der prallen Sonne bis ich in Bosnien bin.

Lukomir

Am frühen Nachmittag des Folgetages erreiche ich den Eingang zur Auffahrt noch Lukomir.

Es gibt verschiedene Varianten um das entlegene Bergdorf zu erreichen, um deren Schwierigkeitsgrad sich die wildesten Gerüchte ranken. Am Einfachsten ist es von Osten kommend (diesen Abschnitt nehme ich um später am Tage um nach Sarajevo zu fahren), ich finde mich auf einer der Varianten wieder, die grob bei Konjic starten. Ob es nun die eine berüchtigte, schwierige Passage ist kann ich nicht recht sagen, bei sowas variiert die Wahrnehmungen ja auch  recht stark.

Fakt ist, die Piste ist durchaus ruppig, nach den zum Teil sehr steilen Schotterrampen muss ich die eine oder andere Pause einlegen, wieder zu Atem kommen und die Arme ausschütteln. Der 50/50 Trailmax Raid ist passagenweise auch am Limit angelangt, irgendwas in der Gewichtsklasse AX41 oder Anakee Wild wäre hier die bessere Variante gewesen. Geht noch so gerade, nach ein paar Tagen Regen hätte ich aber alt ausgesehen.

Eines ist die Piste noch – un-fass-bar schön. Weite grüne Täler, umgeben von Bergen, zwischen denen sich die Pisten bis an den Horizont winden und dort zu verlieren scheinen, und die vereinzelten, Staubfahnen hinter sich herziehenden Geländewagen so groß wie Käfer erscheinen lassen. 

Lukomir ist das höchstgelegene und abgelegenste bewohnte Dorf Bosniens, mit gerade mal 20 dauerhaften Einwohnern, die im Wesentlichen von Landwirtschaft und Schafzucht leben. Es liegt auf etwa 1500 Metern Höhe am Rande des Bjelašnica-Gebirges, ca. 50 Kilometer südwestlich von Sarajevo, mit einem beeindruckenden Ausblick auf den 26km langen Rakitnica-Canyon.
Lukomir gilt als Beispiel für das traditionelle Leben in den Dinarischen Alpen, und die abgelegene Lage hat es weitgehend vor den Modernisierungswellen der letzten Jahrzehnte bewahrt. Viele der Gebäude stammen aus dem 14. Jahrhundert, die traditionelle Architektur und die pittoreske Landschaft um Lukomir ziehen sowohl Einheimische als auch Touristen an – maßgeblich aber letztere.



Wander- und Mountainbike-Routen führen durch das Dorf, bei meiner Ankunft parken ca. 10 beladenen Reiseenduros und ein paar Overlander 4wd am Ortseingang, auf der Abfahrt aus Lukomir begegnen mir mind. 2 voll besetzte Geländewagen voller fotografierender Touris- ich tippe mal auf organisierte Touren ab Sarajevo.
Das es im Dorf schon immer mehrere Gaststätten, Herbergen und selbstgestrickte Socken feilbietende Omas gab, kann ich mir auch nicht so recht vorstellen.
Am offensichtlichstem offenbart sich das aufkeimende Tourismus Problem aber an einem am Ortsrand platzierten Müll-Verbrennungs-Container, in dem Chipstüten und PET Flaschen vor sich hin schmurgeln und eine stinkende Rauchfahne in den Himmel aufsteigen lassen.

Immerhin, das Essen und die Souvenirs in Form von Kräuterbündeln und anderem selbstgemachten sind toll und wirken authentisch. Nach dem Essen laufe ich das Dorf mehrfach ab (groß ist es wirklich nicht), mache Fotos, und buche mir dann nach etwas Überlegung ein Hotel in Sarajevo, wo ich die nächsten Nächte verbringen möchte (ich campe zwar so oft es geht, aber für Stadtbesichtigungen finde ich Hotels einfach praktischer). 

Eine Schar Enduristen verabschiedetet mich bei der Abfahrt johlend und winkend; das ist natürlich irgendwie ganz nett, so richtig will das aber nicht zur Umgebung passen, oder zumindest nicht zu dem Bild das ich mir vorab in Gedanken von dem Dorf gemacht hatte. In meiner naiven Weltsicht und nach allem was ich bisher von dem Ort gelesen hatte, hätten es eher ein paar staunende Schafhirten sein müssen, die sich über einen der seltenen, exotischen Besucher freuen und mir freundlich nachwinken… aber da komme ich wohl ein paar Jahre zu spät.

Würde ich trotzdem nochmal hinfahren? Ich befürchte ja, alleine schon wegen der atemberaubenden Landschaft. Es ist ja auch nicht so, dass dort chinesische Sonnenbrillen und batteriebetriebene Laserschwerter in der Souvenir-Ladenzeile angeboten werden, oder irgendein Nobel-Spa Horden von Idioten anzieht, auch das unvermeidliche Museum hat man sich bisher verkniffen. Aber irgendwas sagt mir, dass hier das Ende der Authentizität bereits eingeläutet ist, sollte nicht irgendwer in naher Zukunft kräftig auf die Bremse treten.

Sarajevo

Gegen 1800 komme ich in Sarajevo an. Essen muss ich nach der reichhaltigen Mahlzeit in Lukomir nicht mehr, sondern schlendere nach der Dusche nur noch etwas am Fluss Miljacka entlang, den Rest des Abends verbringe ich auf dem Balkon meines Zimmers.

Sarajevo erlangte traurige Berühmtheit als der Ort, an dem der Erste Weltkrieg seinen Anfang nahm. Am 28. Juni 1914 wurde der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand von Österreich-Este zusammen mit seiner Frau Sophie auf der Lateinerbrücke in Sarajevo von dem bosnisch-serbischen Nationalisten Gavrilo Princip erschossen. Dieses Attentat löste eine Kette von Ereignissen aus, die schließlich zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs führten.

Das Jerusalem Europas

Sarajevo ist bekannt für seine religiöse Toleranz und Diversität. Die Stadt wird oft als das „Jerusalem Europas“ bezeichnet, da hier Anhänger der drei großen monotheistischen Religionen – Islam, Christentum und Judentum – seit Jahrhunderten vergleichsweise harmonisch zusammen leben.
Der Islam ist dabei die dominierende Religion, was auf die jahrhundertelange osmanische Herrschaft zurückzuführen ist. Zeugnis findet dies in den viele Moscheen, von denen die Gazi-Husrev-Beg-Moschee aus dem 16. Jahrhundert die größte, älteste, und vor allem beeindruckendste ist.

Nach dem Islam ist das Christentum die verbreitetste Religion, die orthodoxe Kathedrale der Heiligen Muttergottes und die römisch-katholische Kathedrale des Heiligen Herzens gelten wichtige religiöse und kulturelle Wahrzeichen der Stadt.

Ähnlich vielfältig-vermengt darf man sich Architektur Sarajevos vorstellen: osmanischen Basare, österreichisch-ungarischen Gebäude und moderne Strukturen aus der sozialistischen Ära. Genau wie in Mostar hat man den Eindruck, als hätte jemand Prag und Marrakesh hergenommen und einmal kräftig geschüttelt.


Mein Stadtrundgang  führt mich natürlich zur Gazi-Husrev-Beg Moschee, zur „Ewigen Flamme“, einem Mahnmal für die Opfer des zweiten Weltkriegs – und in das „Museum der Verbrechen gegen Menschlichkeit und Genozid“, welches sich relativ schonungslos mit den Hintergründen und unfassbaren Gräueltaten des Bosnien-Krieges beschäftigt – Menschheitsgeschichte zum abgewöhnen. Die unfassbare Brutalität dieses Krieges, in dem die 3 größten ethnischen Gruppierungen der Region, aufgeheizt durch die jeweiligen nationalistischen Gruppierungen (ich sage jetzt mal nix…), u.a. „ethnische Säuberungen“ durchführten, trotzt jeglicher Beschreibung. So wurde z.B. um bei der  Exekution von Gefangenen Munition zu sparen, auch mal auf Kanthölzer und ähnliches zurückgegriffen.

Gedankenstrich.

Den größten Teil des Tages verbringe ich allerdings auf dem Baščaršija-Basar, dem historische Zentrum der Stadt. Ein lebendiger Marktplatz, bei Touristen und Einheimischen gleichermaßen beliebt, der bis heute das Herz von Sarajevos Handwerkskunst und Handel bildet. Hier finden sich zahlreiche Handwerksbetriebe (also noch so richtige), Restaurants, Andenkenshops, Teestuben, noch mehr Handwerksbetriebe… ich bin im Himmel. Wahllos laufe ich ich kreuz und quer durch die Gassen, die meisten am Ende des Tages mehrfach, grinse dabei leicht dümmlich, und fotografiere die Linsen wund…


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