- Travel to the midnight sun, Part 1: Finnland
- Travel to the midnight sun, Part 2: Nordkap
- Travel to the midnight sun, Part 3: Lofoten
- Travel to the midnight sun, Part 4: Entlang der Küste gen Süden
Vom Nordkap entlang der Küste auf die Lofoten
Das schöne Wetter hält auch am nächsten Tag an, passend dazu verläuft die Fahrt vom Kvænangen nach Senja entlang einer schon absurd schönen Fjordlandschaft. Wasser und Himmel teilen sich eine Farbe, getrennt von schneebedeckten Felsformationen, wie sie vermutlich nur Norwegen hervorbringen kann.
Der erste angelaufene Campingplatz auf Senja ist eher wenig attraktiv, der zweite hingegen eine echte Perle, mit für mich freier Platzwahl – ich bin der einzige Zelter.
Ein paar Norweger haben sich in Zimmer eingemietet, und ein älterer Herr spricht mich neugierig auf das Motorrad an und was ich mache. Ich erzähle ihm von meiner Tour; er scheint ehrlich beeindruckt, gratuliert mir zu dieser Reise, dass ich den Mut habe so etwas alleine zu machen, und dass ich mich glücklich schätzen könne, so etwas erleben zu dürfen.
Mich bringen solche Bemerkungen immer etwas aus dem Tritt; ich habe mich in den letzten 14 Jahren so sehr daran gewöhnt solche Touren zu unternehmen, dass ich es im Wesentlichen schon für Selbstverständlich erachte. Das es Menschen gibt, für die es ein (oftmals vielleicht sogar unerfüllter) Traum ist, auch nur ein einziges Mail eine solche Tour zu unternehmen – nun, ich weiß nie so recht wie ich damit umgehen soll.
Ein wenig fühle ich mich bei solchen Gelegenheiten wie ein Hochstapler; aus meiner Wahrnehmung heraus habe ich – vereinfacht formuliert – im wesentlichen nicht viel mehr gemacht als eine Fähre zu buchen, tagsüber mit dem Motorrad zu fahren und mich an Tankstellen von Café und HotDogs zu ernähren (no risk, no fun), und Abends zu zelten, oder auch mal spontan ne Hütte oder Hotelzimmer zu buchen.
Natürlich ist es viel mehr als das. Diverse Stunden der Recherche und Planung zuhause (was mir persönlich Spaß macht), die spezifischen landschaftlichen Eindrücke beim Durchqueren eines oder mehrerer Länder, die zahllosen Stops und Begegnungen mit den jeweiligen Kulturen, die Fotos von denen man noch lange danach zehrt… blablabla.
Aber zuerstmal ist es wirklich nur das erstgenannte: Pferd satteln und los. Der Rest passiert irgendwie von alleine, und es gibt auch nicht viel, wovor man Angst haben müsste: Die Welt ist nicht der Ort aus den Nachrichten, Menschen sind im wesentlichen nett und hilfsbereit. Zumindest in Europa hat’s an jeder Ecke einen Lidl, Geldautomaten oder Arzt, und man kommt eigentlich überall mit Englisch oder sogar Deutsch durch.
Ausser in Frankreich vielleicht.
Gedankenstrich.
Am nächsten Tag toure ich noch etwas über Senja, bevor ich von Gryllefjord im Nordwesten der Insel nach Andenes auf Andøya übersetze.
Dies ist die erste von dutzenden Fähren auf dem Weg in den Süden entlang der zerklüfteten Küste: Die Norweger haben in diesem Teil des Landes ein umfassendes Fähren-Netz etabliert. Die Abkürzung mit dem Schiff über einen Fjord oder als Verbindung zweier Landzungen erspart einem häufig mehrere 100 km Umweg.
Ein schnell wachsender Anteil dieser Fähren läuft mittlerweile elektrisch, das Bezahlen des Tickets erfolgt in 99,9% aller Fälle bargeld- bzw. zahlungslos über einen Scan des Kennzeichens. Entweder man bekommt die Rechnung dann irgendwann per Post, oder man meldet sich bei ferrypay.no an und das Ticket wird direkt von der Kreditkarte abgezogen (Rechnung per Email). Nur in 2 Fällen musste ich vor Ort (bargeldlos) bezahlen. Die Kosten schwankten auf meiner Route zwischen 35 und 55 NOK, nur die längeren Passagen nach Andøya bzw. Moskenes nach Bodø lagen etwas über 200 NOK.
Auf Andøya lege ich einen Pausentag inklusive Whale-Watching ein. Nur ein paar Kilometer nordwestlich der Insel erreicht das Meer Tiefen von rund 750 Metern, um im Folgenden auf bis zu 2000 Meter abzufallen – gute Voraussetzungen für Sichtungen von Tiefseejägern wie etwa dem Pottwal, weshalb sich in Andenes mehrere Whale-Watching-Agenturen angesiedelt haben. Für einen Pottwal reicht unser Glück leider nicht, wir erleben aber einen sehr entspannten Schwarm von ca. 8 Grindwalen, der uns auf unter 10 m heranlässt.
Es ist schwer bis unmöglich, vom Anblick dieser Tiere nicht berührt zu werden, wobei man nur all zu gerne vergisst, dass Wale relativ emotionslose Jäger und Fleischfresser sind. Der gemütlich anmutende und vom Menschen hoch emotionalisierte Pottwal zum Beispiel verputzt bis zu einer Tonne Meeresbewohner am Tag, vorzugsweise Tiefseekalmare, die dann unzerkaut verschluckt und verdaut werden – vermutlich zu deren großen Unmut.
Am nächsten Tag geht’s weiter entlang der Küste von… heck, ich weiß schon wieder nicht mehr wo ich bin. Eine Insel. Langøya, genau, die ist’s. Glaube ich.
Bin ich vielleicht sogar schon auf den Lofoten, und habe es einfach nur nicht gemerkt bzw. überhaupt erstmal gewusst…? Meiner Meinung nach bezeichnet „Lofoten“ den südlichen Zipfel der Inselgruppe, so richtig sicher bin ich mir auf einmal aber nicht mehr. Auch Wikipedia gibt sich diesbezüglich verdächtig vage:
„…etwa 80 Inseln… unter anderem… umfasst im Wesentlichen…“
Sehr sicher sind sich die Autoren dann allerdings wieder darüber, dass die Bezeichnung „die Lofoten“ per se falsch ist, ich zitiere:
„… Obwohl der Name Lofoten im Norwegischen im Singular steht, wird die Region im Deutschen fälschlicherweise oft als „die Lofoten“ bezeichnet, da die Endung -en, die im Norwegischen als bestimmter Artikel im Singular fungiert, von Sprechern des Deutschen als Pluralmarkierung reanalysiert wird…“
Als Pluralmarkierung reanalysiert – mein lieber Scholli. Bis zum lesen des Satzes wusste ich nichtmal das die Möglichkeit besteht sowas zu tun, geschweige denn was überhaupt gemeint ist. Kein Wunder das es alle falsch machen.
Zusammengefasst, ich Banause weiß aktuell nicht genau wo ich bin, und spreche es dann auch noch falsch aus. Sei’s drum, das Wetter ist toll, die Gegend ist schön, und gegen 14:00 stehe ich an der Fähre Melbu – Fiskebøl (welch erleichternd eindeutige Ortsangaben!), die mich jetzt vermutlich endgültig auf die… sorry, auf Lofoten bringt. Vielleicht auch nach Lofoten.
Die Erwartungen sind hoch gesteckt, und tatsächlich ist Lofoten eine landschaftliche Granate. Alles was Norwegen so beeindruckend macht, ist hier auf sehr kleinem Raum vereint, und dabei auch noch extremer ausgeprägt. Schroffste Berglandschaften, umrandet von einer Küste, deren Sandstrände mit türkisem Wasser „Traumstränden“ in südlichen Gefilden um nichts nachstehen. Ein wenig als hätte man einen Game-Designer ein paar Gramm Koks gegeben und ihn dann damit beauftragt, für eine Open-World Map eine miniaturisierte Variante von Norwegen nachzubauen – alles wirkt irgendwie ’ne Spur drüber.
Die Wettervorhersage für die kommenden Tage ist mies, so suche ich mir schnell eine Campingplatz und nutze ich das herrliche Wetter mit Sonnenschein die ganze Nach hindurch um bis nach 02:00 mit dem Motorrad Lofoten zu erkunden.
Ein absolutes Highlight… ja. Ja. Schon irgendwie. Vielleicht bin ich von der bisherigen Reise gerade einfach etwas zu gesättigt, aber so richtig geflashed bin ich irgendwie nicht.
Das ohnehin schon ambitionierte norwegische Preis-Niveau erfährt hier noch einen Lofoten-Zuschlag: eine Nacht in einem Zimmer mit Gemeinschaftsbad in einer Rorbuer (diese kleinen, roten, ehemaligen Fischerhütten) in Moskenes, in welches ich mich am zweiten Tag wegen des mittlerweile ernsthaft schlechten Wetters flüchte, kostet mich fluffige 195€.
Obwohl ich noch vor der Hochsaison hier bin, ist schon alles mit Touristen überlaufen; bei meiner Abreise beschwert sich ein deutsches Pärchen am Fähranleger in der Lane neben mir darüber, dass hier ja alles mit Wohnmobilen voll sei – in Anbetracht ihrer 8 Meter Wohn-Monstrosität-auf-Rädern ein für mein Empfinden sehr irritierendes Statement, auf das ich nicht recht etwas zu erwidern weiß.
Am zweiten Tag habe ich mir ein paar Attraktionen vorgenommen, u.a. das Wikingermuseum – und selten habe ich mich so dermaßen über eine Touri-Attraktion geärgert. Für über 20€ Eintritt darf man durch ein zu 100% rekonstruiertes (sprich: unechtes) Langhaus mit zu 100% rekonstruierter (sprich: unechter) Einrichtung drängeln, das Aussengelände hat außer ein paar unambitionierter Infotafel entlang des Weges zum „Wikingerhafen“, von wo aus man eine Bootstour mit rekonstruierten (…) Wikingerbooten unternehmen kann (Kosten nicht im Eintrittspreis enthalten), exakt nichts zu bieten. Nein, das stimmt so nicht, irgendwo mittendrin kann man (vermutlich rekonstruierten) Kaffee trinken. Ich stelle in Gedanken einen Vergleich zum Freiluftmuseum im heimischen Molfsee oder dem kürzlich in Finnland besuchten Sami-Museum am Inari an, mit einem für das Wikingermuseum vernichtendem Ergebnis.
Und so kommt es, dass ich nicht zuletzt auf Grund des kippenden Wetters, welches ich aus zeitlichen Gründen auch nicht aussitzen kann, nach gerade mal 2 Tagen auf Lofoten irgendwie unbefriedigt, latent genervt und mit dem Gefühl, irgendwas verkehrt gemacht zu haben, die Fähre zurück zum Norwegischen Festland nehme.
Ich denke nicht das meine Eindrücke den Lofoten gerecht werden, ich war einfach mit zu wenig Zeit hier, anscheinend auch etwas zu wenig vorbereitet, und wie erwähnt eigentlich reif für eine längere Pause, um Eindrücke wieder adäquat verarbeiten zu können. Das Lofoten, ähnlich Island, mittlerweile ein echtes Tourismus Problem hat, ist aber leider unbestreitbar. Und in Anbetracht der Anreise – von Hamburg aus immerhin mal eben 4000 Kilometer hin und zurück – und das man bei Anfahrt auf dem Landweg schon verdammt viel Norwegen erlebt hat, bin ich persönlich etwas unschlüssig, ob’s den ganzen Hassle wirklich wert ist.
Sollte ich diese Tour irgendwann wiederholen, was nicht unwahrscheinlich ist, würde ich bestimmt wieder und vor allem mehr Zeit für Lofoten einplanen – aber nur deswegen hier hoch – hm, ne. Da fiele mir anderes ein.
Die Überfahrt von Moskenes nach Bodø ist mit rund vier Stunden angesetzt, und ein wenig wundere ich mich über die überdurchschnittlich engagierten Loader im Bauch der Fähre, welche die Verzurrung der Motorräder kontrollieren und zum Teil sogar korrigieren. Ungefähr 5 Minuten nach der Abfahrt klärt sich das Rätsel: mein Sitzplatz bewegt sich gefühlt mehrere Meter in wechselnden Richtungen auf allen Achsen innerhalb des dreidimensionalen Raumes, was sich im Wesentlichen dadurch erklärt, dass das Schiff an welchem besagter Sitz befestigt ist, auf Grund des Seeganges eben genau diese Bewegungen vollführt, was wiederum eine nicht geringe Anzahl von Reisenden deutlich erblassen, verstummen und mit starrem Blick in ihre Sitze verkrallen lässt.
Nicht so die beiden älteren, seefesten Damen in der Sitzreihe genau hinter mir, die in völliger Missachtung der apokalyptischen Umstände die gesamte Überfahrt ununterbrochen miteinander schnattern wie 2 Teenager-Freundinnen, die sich seit einer Woche nicht mehr gesehen haben.
Ich habe vermutlich in den letzten 6 Monaten nicht so viel geredet.
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