- Travel to the midnight sun, Part 1: Finnland
- Travel to the midnight sun, Part 2: Nordkap
- Travel to the midnight sun, Part 3: Lofoten
- Travel to the midnight sun, Part 4: Entlang der Küste gen Süden
Ab Bodø begebe ich mich auf einen Schlenker entlang der E6 in’s Innenland, um den Polarkreis „offiziell“ am Polar Circle Center wieder Richtung Süden zu überqueren. Vor Ort findet sich der übliche Parkplatz mit dem üblichen Shop mit dem üblichen Schnick-Schnack – und ich liebe es. Ich decke mich mit Kühlschrankmagneten und einem Becher ein, widerstehe in Anbetracht meines limitierten Stauraumes weiteren Polarkreis-Accessoires, und fahr noch ca. eine Stunde bis zu einem Campingplatz mit Hütte.
Es folgen mehrere gleichbleibend schöne Tage entlang der Küste auf der Atlantikroute: bei gutem Wetter auf grandiosen Strecken Motorrad fahren, zwischendurch immer Mal ´ne Fähre, Abends Zelten – repeat.
Eine Fahrt über die aus diversen Filmen und Sport-Coupe-im-Sonnenuntergang Werbesports bekannten Brücke auf dem Atlanterhavsvegen scheint in Anbetracht des regen Verkehrs und der verzückten Gesichter der parkender Touristen für viele ein absolutes Highlight zu sein, ich fand’s aber schon 2016 etwas enttäuschend, zumindest aus der Motorrad-Perspektive. Unbestreitbar ein einzigartiges Bauwerk in ebensolcher Landschaft, die volle Pracht der sich über Felsen durch’s Meer windenden Konstruktion offenbart sich jedoch anscheinend maßgeblich aus der Luft.
Aber weder kann das Camel fliegen noch habe ich eine Drohne, also bleibt uns nur der Blickwinkel erdgebundener Lebewesen und ein diffuser Neid auf die Möwen über uns, für deren Sicht auf diese absurd schöne Küstenlinie mitsamt des Bond-Girls unter den Brücken dieser Welt.
An dieser Stell verabschiede ich mich nun auch von der Küste, biege in’s Landesinnere ab und leite damit die letzte Etappe der Reise ein. Diesen südlichen Teil Norwegens kenne auch wieder ein wenig, 2016 habe ich hier meine erste Tour mit dem damals noch fast neuen Pferd unternommen.
Auch wenn ich es seit ein paar Tagen vermieden habe auf den Kalender zu schauen – mir geht langsam die Zeit aus. Auch doof: mein ursprünglicher Plan entspannt über Dänemark nach Hause zu rollen gerät etwas in’s Bröseln. Zum einen hängt in dem Teil Skandinaviens ein ziemlich hartnäckiges Tief mit massig Regen, zum anderen hat mittlerweile nun auch mein Vorderreifen eine kritische Profil-(Un)Tiefe erreicht. Die einstmals im wörtlichen Sinne erhabenen Stollen des Anakee Wild haben nach nunmehr fast 10tkm im besten Falle noch Ähnlichkeit mit dem schiefen Gebiß irgendeiner gruseligen Cyberpunk Kreatur; damit noch rund 1500 Kilometer bei miesem Wetter und vielleicht sogar Autobahn – hm, ja, „weiß nich’ “. Immer noch traumatisiert durch den Preis des in Oulu getauschten Hinterreifens möchte ich andererseits auf einen weiteren Reifenwechsel in Skandinavien verzichten. Kniffelig…
Die einstmals im wörtlichen Sinne erhabenen Stollen des Anakee Wild haben nach nunmehr fast 10tkm im besten Falle noch Ähnlichkeit mit dem schiefen Gebiß irgendeiner Cyberpunk Kreatur.
Ich beschließe diese Entscheidung wie sonst auch bis zum aller-allerletzten Moment aufzuschieben, und fahre weiter zum Trollstigen. Die legendäre Passstraße umfasst 11 Haarnadelkurven, jede mit eigenem Namen, umringt von mehrerem Bergen um die 1500 Meter. Schon die Anfahrt auf den Pass durch eine Kilometer-lange Schlucht mit Wänden, welche sich steil gefühlt bis in den Himmel, oder zumindest in die tiefhängenden Wolken erheben, vorbei an Gesteinsbrocken in Formaten zwischen VW Käfer und Einfamilienhaus, vermitteln einem völlig neue Eindrücke der eigenen Größe.
Und von Staus. Günther und Hannelore schieben ihren Hymer im Schneckentempo die Serpentinen empor, gefolgt von einer Horde ihresgleichen, zwischendurch immer mal ein Reisebus mit Touris. Schon Kilometer vor dem Pass nimmt die Verkehrsdichte spürbar zu, ebenso die Menge überteuerter Touri-Shops. Ich gestehe offen und gerne unter normalen Umständen bei Sichtung irgendwelcher Andenken-Stores in kindische Verzückung zu verfallen (ich werde vermutlich irgendwann post mortem mit meiner Kühlschrankmagneten-Sammlung in’s Guiness Buch der Rekorde aufgenommen), aber hier bin selbst ich raus.
Anyhow – die Aussicht von der Aussichtsplattform in’s Tal ist den ganzen Blödsinn Wert. Zumindest prinzipiell, denn heute hängt die Passhöhe in einer dichten Wolkendecke und man sieht faktisch keine 2m weit, was niemanden, mich eingeschlossen, davon abhält, ein Foto von der Suppe zu machen.
Ich checke die Wetter App, aber so richtig besser wird’s erst am nächsten Tag, ich fahre daher weiter Richtung Geiranger.
Der rund 15km lange Fjord, umgeben von bis zu 1400m hohen Felswänden, gehört seit 2005 zum UNESCO Weltkulturerbe und wird jährlich von rund 700.000 Besucher heimgesucht. Die schieren Dimensionen dieser Kulisse sind schwer zu erfassen; die aktuell im Hafen liegende MSC Euribia mit ihren 300m Länge und 185.000 BRT schrumpft in diesem Umfeld perspektivisch auf Spielzeuggröße.
Unnötig zu erläutern, dass am Kopf des Fjordes so eine Art Vorhölle entstanden hat: Hotels, ein riesiger, direkt an der Strasse gelegener Campingplatz für Günther und Hannelore, geradezu lächerlich überteuerte Restaurants und Imbisse, ein Outdoorladen mit allem was ein AIDA oder MSC Reisender zu brauchen glaubt (ich gestehe hier 2016 eine Fleecejacke gekauft zu haben), und natürlich Massen an MSC Passagieren, die gerade Freigang haben.
Wie ein vergessenes Monument aus einer anderen Zeit wirken hingegen die beiden an den Outdoor-Shop angeschlossenen Zapfsäulen, die ihrem Aussehen nach zu schließen schon seit den 70ern da stehen. Ich schließe mich ihrer stummer Anklage gegen ihr völlig aus den Fugen geratenes Umfeld an, tanke die völlig verdreckte Ténéré, kaufe – unter Protest – einen Kühlschrankmagneten, und bin wieder weg.
Der Gag ist, dass sich nur ein paar Kilometer entfernt von dem ganzen Horror, an der süd-westlichen Seite des Fjordes, ein paar durchaus erträgliche bzw. fast sogar schon empfehlenswerter Hüttencamps etabliert haben, mit Premium View direkt auf’s Wasser. Ich lande, nicht zuletzt aus Nostalgie, wieder auf demselben Platz wie 2016: eine relativ runterrockte Location, zumindest hat sich seit 2016 nichts an dem schon damals eher jämmerlichen Zustand des Waschhauses geändert. Aber was soll’s, der Abend auf der Terrasse der Hütte mit Sicht auf den Fjord entschädigt für vieles. Wer immer das Bier gefunden hat, welches ich dort im Kühlschrank vergessen habe – you’re welcome.
Das Wetter ist am nächsten Morgen wie von der Wettervorhersage versprochen super schön; ich überlege noch kurz zum Trollstigen zurückzufahren, mache mich dann aber doch lieber direkt auf den Weg zum „Gamle Strynefjellsvegen“, worauf ich mich schon die ganze Zeit gefreut habe.
Der Gamle Strynefjellsvegen ist zwar nur 28km lang, aber landschaftlich ein Traum.
Diese Fjell-Straße ist zwar nur 28km lang, aber landschaftlich ein Traum. Mit einer maximalen Höhe von knapp 1200m ist die im 19ten Jahrhundert von Hand erbaute Piste, die seit 2009 unter Denkmalschutz steht, witterungsbedingt nur zwischen Mai und Oktober geöffnet, wobei sich diese Daten natürlich abhängig vom Schneefall ändern. Ich zelebriere jeden einzelnen Kilometer der Gravelroad, fahre ein paar Passagen sogar mehrfach.
Mittlerweile ist es Mittwoch, und ich wäre gerne am Samstag zuhause, bevor am Montag wieder der Alltag beginnt. Die besagte Regenfront über Dänemark hält an, das Reifen-Problem hat sich erstaunlicherweise und entgegen meiner stillen Hoffnung auch nicht von alleine gelöst, daher entschließe ich mich kurzfristig mit der Color Line von Oslo nach Kiel zurück zu schippern, und dabei sowohl dem Wetter als auch langen Autobahn Etappen zu entgehen.
Der Spaß ist alles andere als günstig, was besseres fällt mir aber nicht ein – immerhin spare ich bei der Buchung rund ein Drittel, in dem ich… ah. Ne, sorry, wir wissen alle wie es „Geheimtips“ auf Insta oder im Lonely Planet ergeht. Zumindest werde ich es hier nicht aufschreiben, wer genau hinschaut, kommt aber vielleicht auch so drauf.
Es folgt eine Fahrt durch den mit 24,5 Kilometern längsten Straßentunnel der Welt, dem Lærdalstunnel. Kann man machen, muss man nicht, die Alternativ-Route über den Aurlandsfjellet ist mit Sicherheit die attraktivere Variante.
Das mit den Tunneln ist so’n Tick der Norweger, ingesamt sind es rund 900 mit einer Gesamtlänge von 750km. Tatsächlich ist das aber weniger ne schrullige Macke, sondern hat offensichtliche Vorteile: Die Alternative zur kürzesten Stücke durch den Berg wäre eben nur der die deutlich längere und im Winter evtl. unpassierbare Variante über den Berg. Und da das untere Drittel Norwegens im Wesentlichen aus nichts anderem als Bergen und Fjorden besteht, ist das halt alles etwas ausgeufert.
Profi-Tipp: die originären Verkehrswege über den Berg sind wie im Falle des Aurlandsfjellet meistens noch vorhanden und in aller Regel die hübschere Variante.
PS: in Norwegen entsteht übrigens derweil auch noch nebenher der längste Unterwassertunnel der Welt. Vielleicht doch ne Macke.
4 Wochen und 7600 Kilometern später laufe ich am Samstagmorgen wieder in der Kieler Förde ein.
Richtung Oslo nehme ich die Hardangervidda Landschaftsroute, bevor ich ca. 1,5 Stunden westlich von Oslo zum letzten Mal in einer Hütte übernachte. Freitag um 14:00 legt die ColorLine in Oslo ab, und so laufe ich genau 4 Wochen und 7600 Kilometern später am Samstag morgen wieder in der Kieler Förde ein.
Resümee: Großartig. Teuer, sehr teuer sogar, aber großartig. Die Einsamkeit und Wildnis Finnlands, die gleichermaßen derbe wie überwältigende Schönheit Norwegens, die Kombination aus TET und Landschaftsrouten, das Erlebnis der Mitternachtssonne, unter’m Strich Glück mit dem Wetter – perfekt.
Resümee: Großartig.
Nur 5 Wochen hätte es gerne sein können anstatt meiner 4, oder auch 6. Für die Lofoten sollte man vielleicht mehr als meine 2 Übernachtungen einplanen, den unbedingt sehenswerten Süden Norwegens musste ich diesesmal fast komplett auslassen.
Und andere Reifen vielleicht: der eher Offroad-orientierte Anakee Wild schlug sich auf den diversen Pisten natürlich perfekt, war aber mit dieser Distanz auf Skandinavischen Straßen überfordert.
Entweder man plant hier von vornherein einen Reifenwechsel ein, oder man geht von vornherein auf einen Lang-Läufer ala Heidenau Scout oder Mitas e7; bei gutem Wetter hätte keiner der beiden auf dem finnischen TET vor unlösbaren Problemen gestanden.
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